Des trunknen Schäfers dunkle Prophezeiung

16.00 Uhr, Glockensamstag. Ich gab mir ein Festessen zum Vergessen. Und Wein. 
Diese drückende Last, Rausch. Besser als Nichts. Western lesen. Merkt man's? 
Der sechste Almwestern muss doch zu spüren sein. Ob ich E. T. A. Hoffmann 
lese oder  Western, ist doch gleich: die Zeit geht rum. Das Leben. 
Das verdammte, reizlose Leben. 
Wie waren die Genossen Meinhof, Meins? 
Wie dachten sie? Wer war ihnen  Verbrecher? 
Meins und Meinhof setzten auf Untergang 
und gingen unter. Für sie war das Staatsspiel 
schon Krieg, waffenlose Brutalität und 
Grausamkeit. Doch wie die Bestie Mensch 
anders zum Goethe Leser und Beethoven 
Stereo Hörer gebracht werden kann als durch 
die Brutalität der Erziehung, das wussten 
sie nicht, die Gun-Men & -Women deutschen 
Nachkriegsgebombes. Wie nach dem Sündenfall 
die gequälte Kreatur Mensch anders zur Arbeit 
gebracht werden kann als durch die brutalste 
Stechuhrmethode, die grausamen 
Tranquilizer, den Beruhigungsschnaps, das 
Verblöde-Fernsehen, das wussten sie nicht 
die nun Toten, eure 
Hängt-sie-endlich-auf-Toten.
Ihr habt ihren gewünschten Tod bekommen, 
doch hier sind ihre Schatten, ihre Gespenster. 
Eure Nächte werden kürzer und unruhiger 
werden. Eure Polizei wird schneller, griffiger 
und grausamer werden. Eure Soldaten werden 
schon mal Blut putzen müssen, wenn noch erst 
eignes. Eure Theaterspielleute werden schon 
mal lauter und gänsehäutender schimpfen im 
Schimpfspiel der verhafteten Wahrheit, der 
im Rampenlicht verhafteten Wahrheit. 
Eure Irrenhäuser werden einen elektrischen 
Stacheldraht brauchen, eure Sanitäter 
einen Karatekursus, eure verlaufenen, 
abgesprungenen Söhne noch mehr Schnaps 
und Marihuana, und ihr werdet nur noch die 
Tagesschau sehen mögen, die Euch 
nicht zu sehr beunruhigt. 

 



Am Feuer mit Zigarre, Helm vom
Besucher: Bruder Ulrich

Eure befreundeten Staatsnationen werden euch schon die Folter, die Massenvernichtung, 
den Geheimerlass, die Schubladentodeslisten, den Spezialeinheitenkrieg vormachen und 
die Damen eurer High Society werden den letzten Schliff an Kleidung, Anstand und 
Edelstein dieweilen noch zur Illustriertenschau tragen ...
	...doch dann, dann wird es losgehen, irgendwo im Westen, im Osten oder in Japan, 
wo die Besiedlung am dichtesten war, der Pro Kopf Verbrauch am höchsten, der Betrieb 
am geordnesten und gewinnbringendsten, die Arbeiter am zufriedensten, die Hochschul-
Ausstoß-Raten an examinierten Fachleuten am höchsten, irgendwo wird es da auf 
dem Gipfel zum Knall kommen, zum Riesenknall, der im ganzen Land, 
ein ganzes System zu Fall bringen wird. 

Und die Guillotine war ein klein, blutiger Spaß dagegen, Hitler's Gemetzel 
ein Blutgerinnsel dagegen, Napoleon's, Alexander des Eitlen, der Päpste, 
der Hexenverbrenner, der russischen Revolutionäre, alles, ja alles wird ein Hui, 
ein Nichts gewesen sein, gegen das, was jetzt noch kommt. Halleluja! 
Das jüngste Gericht? 

Nicht einmal das wird es sein, eine Sicherung nur, eine vergessene Kleinigkeit 
bloß ... denkt selber den Rest. Denkt selber.
	Ich weiß, eines trunkenen Schäfers Worte sind solange Quatsch, 
wie sie nicht erfüllt worden sind und sind sie erfüllt worden, mögt ihr sie lesen, 
vorausgesetzt sie blieben erhalten, mögt lesen mit Genuss wie den Heine heute, 
den Tucholsky nach dem Krieg, den Garcia Lorca nach Franco's Tod, mögt genüsslich, 
pfeifschmauchend lesen, gebildet again und euch ... 
denkt selber, denkt selber ...
	Nur hat's ihnen keine Freud mehr gemacht, mitzumachen, der Meinhof, 
dem Meins, wollten privat schon sterben, wollten voraus schon sterben, 
wollten noch mal einen eignen Tod und nicht den gesteuerten der Maschine. 
Und Che Guevara, der heilige Mörder und Jimi Hendrix, der heilige Selbstmörder, 
ja es sind mal wieder, wieder mal welche voraus gegangen, voraus im Wissen, 
voraus im Sterben, voraus, voraus, die Avantgarde, wie ihr so schön sagt, 
Avantgarde zum Tod. Euch sind meine Sätze so gleichgültig wie dem 
trunkenen Schäfer ihr ihm seid, wir wollen alle noch leben, uns ins 
jauchzende Leben werfen, mit Ach und Karacho.
	Ach und ja mei? Wo hier selbst der trunkne Senner ratlos ist, 
obgleich er sich nicht auf der Titanic mit einschiffte trotz Gala-Getanz 
und Luxuskabinchen und der leckren Freundin, die mitfuhr, wo selbst der 
trunkene Senner und Hirte ratlos und ohnmächtig ist, der auf jeden Rat 
verzichten konnte, da er immer alles besser wusste, wo jetzt der trunkne 
Senner und Fool on the Hill wehmütig der trubel-treibenden Welt nach 
hinabblickt wie der Daheimgebliebne der auslaufenden Titanic mit 
teurer Freundin an Bord, wo ihm aller Rat zu End gegangen ist für 
diese Welt und auch aus der zwei Liter Bauchflasche bestimmt kein Rat, 
vielleicht Trost doch sicher Kopfdrücken kommt, wo dem trunknen Hirten 
kein Rat für die Welt mehr bleibt, will er seine fünf Wald-Kälber suchen, 
die letztmals gestern Nachmittag hier waren und sicher zu anderem Wasser 
durchgebrochen sind, die Kälberschelme. Doch Rat für die Welt, für diese 
noch so schöne, sonnenbeflutete Welt hat er nimmer, nur eine Art 
kalter Verzweifelung, der frierenden Bettler gleich. 

Nein, mitmachen will er auch nirgendwo mehr, satt sein, mal trunken, 
ein geringes Glück genügt dem Verzweifelten, der der auslaufenden Titanic 
nun nachtrauert und doch vielleicht hätte die teure Buchung bestellen 
sollen, als es noch Zeit war, vielleicht hätte er nochmals neben der 
feiernden Freundin bei Käse, Kaviar und Champagner sitzen dürfen, 
bevor das Riesenkarussell zerschellte, zerbrach und unterging 
wie Sodom und Gomorrha. 

Oh, bittre Zeilen, krebswuchernd Kunst, wer soll das lesen? Wer soll 
das jemals auf seine Schultern nehmen dies widerwärtige Wissen des 
trunkenen Schäfers, wer will das wagen, der Zeit anzubieten, etwa 
dem Titanic Tanzabend nachsenden als Vorspann zum Galabankett, 
zum Galatanzabend? 

Ein weißes Kreuz, eine Vision, eine Halluzination, eine Fata Morgana 
stieg drüben kurz auf überm Gegenberggipfel, ein weiß, visioniertes 
Kreuz mit dem Windstoß durchs Haus, sagt dem trunknen Senner die Antwort: 
einer der Rat weiß, der soll das lesen, einer der helfen kann, 
helfen will, helfen muss, Einsicht hat, oder wird es gar Eine sein?

aus Fool on the Hill 26. Juni. 1976